Projektplanung mit Gantt-Charts 2.0
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Kennen Sie das? Als Projektmanager haben Sie gerade eben das Gantt-Chart des Projekts wieder einmal angepasst und der nächste Meilenstein scheint durch geschicktes Ausbalancieren realistisch erreichbar zu sein. Dennoch sagt Ihr Unterbewusstsein, dass Sie vermutlich jetzt schon der Realität wieder hinterherhinken. Irgendetwas wird wieder einmal nicht rechtzeitig fertig sein und der mit intensivem Nachdenken erstellte Projektplan muss schon bald wieder angepasst werden. Piloten wissen, dass sie gedanklich vor dem Flugzeug fliegen müssen und nicht hinterher. Wäre es nicht ein deutlich angenehmeres Arbeiten, wenn wir etwas mehr vor dem Projekt wären? Auf direktem Weg lässt sich dies in unserer hochverdichteten, komplexen Welt nicht erreichen. Dieser Artikel zeigt einen indirekten, aber validen Lösungsansatz.
Projektplanung zu Beginn der Industrialisierung
Um zum Kern vorzudringen, lassen Sie uns in die Vergangenheit reisen, und zwar in die Zeit von Henry Gantt, auf den die gleichnamigen Charts zurückgehen. Gantt entwickelte seine Modellierung zu einer Zeit, als die Industrialisierung voranschritt und Dampfmaschinen der „neueste Hype“ waren. Um eine konkrete Vorstellung zu erhalten, nehmen wir als Beispiel einen Ingenieur aus dieser Zeit, der die Aufgabe hatte, ein Teil einer Dampflok zu entwerfen. Dem Ingenieur standen dazu zwei technische Zeichner zur Seite. Die Arbeit sollte am Montag beginnen und am Freitag war die Abgabe. Die Planungsunterlagen des Bauteils sollten dann an die hauseigene Gießerei zur Herstellung übergeben werden. Der Balken im Gantt-Chart ist also 5 Tage lang und es sind 3 Ressourcen für diese Dauer in Vollzeit zugewiesen.
Nehmen wir an, dass dem Ingenieur am Montagmittag ein ernstzunehmendes Problem auffällt. Ohne die Lösung kann weder Planung abgeschlossen noch die Produktion begonnen werden. Der Ingenieur denkt am Montagnachmittag 4 Stunden lang über eine Lösung nach und tauscht sich mit Kollegen sowie seinen technischen Zeichnern aus. Am späten Montagnachmittag hat er dann die Lösung gefunden. Es entsteht ein zusätzlicher Aufwand, den die beiden technischen Zeichner abfedern, indem sie an den folgenden Tagen jeweils eine halbe Stunde länger arbeiten. Die Aufgabe wird rechtzeitig fertig, alles ist gut.
Projektmanagement heute
Wie sieht diese Geschichte aus, wenn sie in unsere heutige Zeit übertragen wird? Vermutlich fallen die beiden technischen Zeichner weg, denn der Ingenieur wird den Entwurf mit einer entsprechenden Konstruktionssoftware selbst zeichnen. Das Bauteil ist aus Plastik und die Planungsunterlagen gehen nach China, wo das Bauteil in tausendfacher Ausfertigung hergestellt wird. Der Ingenieur beginnt mit der Arbeit überhaupt erst am Freitag. Ihm steht ein Zeitfenster von einem halben Tag zur Verfügung. Möglicherweise hat er am Freitagmorgen noch ein Meeting und es gibt noch eine Menge unbeantworteter E-Mails im Posteingang. Nach einer Stunde Arbeit entdeckt der Ingenieur dann ein Problem, dessen Lösung 4 Stunden (…) An dieser Stelle kann die Geschichte abgebrochen werden, denn es ist klar, wie sie weitergehen wird.
Sicherlich ist diese Geschichte etwas überspitzt. Doch würden Sie widersprechen, was das Prinzip angeht? Um zum Kern zu gelangen, schauen wir uns die Zahlen in Relation an. Beim Ingenieur aus der Zeit der Dampfmaschinen entsteht ein Problem, dessen Lösung dem Ingenieur 4 Stunden kostet, was 10% unerwartetem Mehraufwand im Projekt in Relation zur Gesamtprojektzeit entspricht. Für den heutigen Ingenieur bedeuten 4 Stunden Mehraufwand eine Verdopplung der geplanten Zeit, also 100% unerwarteter Mehraufwand. Das lässt sich nicht mehr ohne Weiteres abfedern.
Problemlösung als manueller Prozess
In der neuen Realität ist die Realisierungszeit durch den hohen Automatisierungsgrad (Konstruktionssoftware) im Vergleich zum Dampfmaschinenzeitalter massiv gesunken ist. Damit ist umgekehrt die heutige Erwartung an die Realisierungszeit entsprechend hoch. Die Lösung des Problems, das Intellektuelle, das Lösungskreative sind aber unverändert. Es waren damals 4 Stunden intensiven Nachdenkens nötig und heute wird unverändert die gleiche Zeit gebraucht. Vielleicht dauert es in unserer technisch und organisatorisch hochvernetzten Welt sogar eher länger eine Lösung zu finden. Die Problemlösung an sich hat also eine viel größere Auswirkung auf die Gesamtdauer als vor 100 Jahren.
Wasser im gasförmigen Aggregatzustand ist sicherlich nicht pauschal als veraltet zu bezeichnen und die Methoden aus der Zeit der Dampfmaschinen haben sicher auch teilweise ihre Bedeutung erhalten, aber eben nur teilweise.
Interessanterweise glauben wir irgendwo in unserem Inneren, dass wir immer noch mit den Methoden aus der Zeit der Dampfmaschinen arbeiten können. Es ist ja auch so verlockend einfach und so schön übersichtlich.
Gantt 2.0
Den Computer aus dem Fenster zu werfen ist keine Lösung. Früher war auch keineswegs alles besser. Das vielfach anzutreffende Zurücksehnen nach der Vergangenheit hat sicher andere (vielleicht verwandte) Gründe. Kein Unternehmen steht in unserer globalisierten Welt allein da, es ist immer ein Mitbewerber auf den Fersen. Die Automatisierung und Digitalisierung wird weiter voranschreiten und die Methoden im Projektmanagement werden weitere Veränderungen erfahren.
Ein Lösungsansatz ist es, mehr Verantwortung an die Teammitglieder zu übertragen, damit diese sich mit einem (zu definierenden) Grad selbst organisieren.
Dazu werden die Balken im Gantt-Chart als Rahmen gesehen, in dem die Teammitglieder ihre Arbeit selbst oder in kleinen Teams eigenständig ausgestalten. Das Gestalten ist dabei der entscheidende Punkt, denn wer Verantwortung übertragen bekommt, muss diese auch übernehmen. Teammitglieder planen also innerhalb des vorgegebenen Rahmens selbst ihre Arbeit, organisieren sich und halten den Arbeitsfortschritt nach.
Dazu unterteilt jedes Teammitglied seine Arbeitspakete in Aufgaben. Gleichzeitig versieht der Mitarbeiter seine Aufgaben mit geschätzten oder geplanten Aufwandsstunden. Beispielweise Aufgabe 1 benötigt 1 Stunde, Aufgabe 2 benötigt 15 Minuten und Aufgabe 3 benötigt einen halben Tag. So kann dann Zug um Zug mit der Erledigung der einzelnen Aufgaben der Fertigstellungsgrad des Arbeitspakets vom Mitarbeiter selbst und vom Projektmanager – ohne zusätzlichen Aufwand – im Auge behalten werden. Mit einer integrierten Projektmanagementsoftware kann so konsolidiert und zentral der Gesamtfortschritt des Projekts überwacht und gesteuert werden.
Auf dies Art und Weise lässt sich ein hybrides Vorgehen abbilden, das die etablierte Denkweise in Balkendiagrammen mit agilen Methoden kombiniert.
Octaved Flow
Octaved Flow bildet genau diese Möglichkeiten ab, und zwar integriert in einer Software. Sowohl Projektmanagement als auch die (autonomer arbeitenden) Teammitglieder greifen in Echtzeit auf die gleichen Informationen und Arbeitsgrundlagen zu. Dass die Fäden am Ende wieder bei Ihnen zusammenfließen, ist die Voraussetzung für die Dezentralisierung von Verantwortungen.