Fortschrittliche Methode um Prioritäten zu setzen mit Labels und Kanban-Boards

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Lassen sich Prioritäten so zuverlässig zu setzen, dass man die Situation jederzeit unter Kontrolle behält? Auch schwierige Entscheidungen sollen souverän gemeistert und abgesichert werden. Dafür muss nicht zwingend viel Aufwand investiert werden. Dieser Beitrag zeigt, wie man mit einem einfachen Tool maximalen Nutzen beim Setzen von Prioritäten erreichen kann. Das Tool funktioniert auch im Team und sorgt dafür, dass alle prinzipiell nach dem gleichen Schema arbeiten und sich damit besser abstimmen können.
Gibt es mehr Arbeit als Zeit müssen Prioritäten gesetzt werden. So viel ist klar. Und die Zahl von denen, die sich über zu wenig Arbeit beklagen, dürfte überschaubar sein. Doch wie setzt man Prioritäten richtig? Für die eigene tägliche Arbeit, im Team und bei Produktentwicklungen?
„Die Hälfte meiner Ausgaben für Werbung ist verschwendet, ich weiß nur nicht welche Hälfte“, sagte Henry Ford - oder eben auch nicht. Denn es ist nirgends belegt, dass das Zitat wirklich von Henry Ford stammt.
So ähnlich verhält es sich mit dem Eisenhower-Prinzip. US-Präsident Dwight Eisenhower zitierte zwar 1954 einen Hochschulprofessor mit den Worten: „Ich habe zwei Arten von Problemen: die dringenden und die wichtigen. Die dringenden sind nicht wichtig und die wichtigen sind niemals dringend“. Ob jedoch das nach Eisenhower benannte Prinzip wirklich von ihm selbst stammt, darf bezweifelt werden.

Das Eisenhower-Prinzip

Was ist das Eisenhower-Prinzip? Tatsächlich ist es eine einfache 2 x 2 Matrix, daher auch der alternative Name Eisenhower-Matrix. Eine Achse der Matrix enthält die Wichtigkeit unterteilt in die Kategorien wichtig und nicht wichtig. Die andere Achse ist mit den Kategorien dringend und nicht dringend versehen. Themen werden einem der vier Quadranten zugeordnet. Das Ganze sieht dann so aus:
Eisenhauer Matrix
Auf den ersten Blick wirkt diese Matrix wenig spektakulär. Es ergibt sich dabei ein interessanter Perspektivwechsel, so dass die weitere Betrachtung des Eisenhower-Prinzips durchaus lohnenswert ist. Welche Handlungsempfehlungen sollen konkret aus der Eisenhower-Matrix abgeleitet werden?

Funktionsweise der Eisenhower-Matrix

Die Kombination wichtig und dringend, also der obere rechte Quadrant der Matrix, soll schnellstmöglich und von einem selbst angegangen werden. Themen, die wichtig, aber nicht dringend sind, sollen nach dem Eisenhower-Prinzip von einem selbst, aber zu einem späteren, am besten fest geplanten Zeitpunkt erledigt werden. Was nicht wichtig, aber dringend ist, sollte an kompetente Mitarbeiter delegiert oder an passende Kollegen weitergegeben werden - immer davon ausgehend, dass es bei meist ausgedünnter Personaldecke tatsächlich jemanden gibt, an den man die Aufgabe abgeben kann.
Die Betrachtung des vierten Quadranten ist besonders interessant und aufschlussreich. Wie soll mit Aufgaben umgegangen werden, die weder dringend noch wichtig sind? Das Eisenhower-Prinzip empfiehlt diese einfach liegen zu lassen, zu ignorieren oder in den Papierkorb zu verschieben.

Bewusst ignorieren

Wir Menschen sind soziale Wesen und neigen auf natürliche Weise dazu alle um uns herum glücklich machen zu wollen. Da von jeder Aufgabe normalerweise in irgendeiner Form andere Menschen abhängen, bedeutet es, dass mit jeder Aufgabe, die wir bewusst nicht erledigen, die Anerkennung von anderen ausbleiben wird.
Dinge bewusst nicht zu tun statt später mit einem zunehmend schlechten Gewissen auf nicht erledigte Dinge zurückblicken zu müssen, ist also kein einfacher Schritt.

Zitat

Dinge bewusst nicht zu tun statt später mit einem zunehmend schlechten Gewissen auf nicht erledigte Dinge zurückblicken zu müssen, ist kein einfacher Schritt.
Auch wenn die Eisenhower-Matrix Impulse und Denkanstöße geben kann, reicht sie auch für reale Entscheidungsprozesse? Also für konkrete Projekten, bei der Produktentwicklung und allgemein in unserem inhaltlich anspruchsvollen Arbeitsalltag? Natürlich nicht! Die Eisenhower-Matrix ist ein Gedankenspiel, das eine andere Sichtweise bietet auf die eigene Art Prioritäten zu setzen.
Gibt es überhaupt eine zuverlässige Methode, die beim Setzen von Prioritäten eine echte Hilfe ist? Und die im Team funktioniert, so dass alle nach dem zumindest prinzipiell gleichen Schema arbeiten?

Priorisierung mit Labels

Auf der Suche nach methodischer Unterstützung beim Setzen von Prioritäten lohnt sich der Blick in den Bereich des agilen Projektmanagements. Bei agiler Vorgehensweise sind die zu erledigenden Aufgaben in einem sogenannten Backlog. Da man nicht alle Aufgaben gleichzeitig angehen sollte und kann, müssen die Aufgaben, die in der nächsten Runde angegangen werden sollen, (flexibel) priorisiert werden. Dieser Vorgang ist ein Kernelement agilen Vorgehens.
Eine beim agilen Vorgehen übliche Technik zur Priorisierung lässt sich auch allgemein hervorragend einsetzen und ist keineswegs auf das Thema Agil beschränkt. Die Technik basiert auf Labels.
Wie viele schlagkräftigen Ideen ist auch die Idee von Labels sehr simpel. Ein Label besteht aus einem Text und einer Farbe. Im Prinzip ist es also nur ein farbiges Etikett, dass überall angeheftet werden kann. Eine Vorgabe, welche Art von Text ein Label enthalten sollten, gibt es nicht.
Schauen wir uns als Einstieg in die Welt der Labels an, wie sich die Eisenhower-Matrix mit Labels abbilden lässt. Tatsächlich genügen dazu bereits die beiden Labels Wichtig und Dringend.
Wichtiges und dringendes Label
Je nachdem, ob man einem Thema beide Labels, eins der beiden oder kein Label zuweist, ergeben sich die 4 gewünschten Quadranten der Eisenhower-Matrix.
Eisenhauer Matrix mit Labels
Für heutige Entscheidungsprozesse und für das Setzen von Prioritäten reichen zwei Kriterien (Dimensionen) in den wenigsten Fällen aus.
Jeder, der schon einmal Excel-Dateien auf komplexe Weise miteinander verknüpft hat, weiß, dass dies schnell in einem Albtraum endet. Excel ist hervorragend in den zwei Dimensionen Spalten und Zeilen. Sobald mehr Dimensionen dazukommen, wird es unübersichtlich und schwer kontrollierbar. Excel oder jede andere auf einer zweidimensionalen Matrix basierende Form zur Entscheidungsfindung einzusetzen ist also wenig zielführend und bedeutet außerdem eine unnötige Limitierung.
Mit Labels denkt man erst gar nicht so kompliziert. Man kann ganz einfach so viele Labels hinzufügen, wie man möchte. Die Anzahl der Kombinationsmöglichkeiten und damit die Flexibilität wachsen mit der Anzahl der Labels.
Ein einfaches Beispiel, wie die Labels für eine Priorisierung im Rahmen einer Produktentwicklung aussehen könnten:
Verschiedene Labels

Label-Sets

Mit Label-Sets schließen sich zwei Labels gegenseitig aus. Statt zwei Labels mit Namen „Prio-1“ und „Prio-2“ anzulegen, verwendet man einen doppelten Doppelpunkt in der Mitte, also „Prio::1“ und „Prio::2“. Der doppelte Doppelpunkt führt zu einer Darstellung in einer Art Pillenform:
Prio Labels
Diese Darstellung ist nicht nur einfacher zu lesen, es ergibt sich zusätzlich noch eine Komfortfunktion. Denn es kann nur eins der beiden Labels zugewiesen sein, niemals beide zugleich. Erhöht man also die Priorität von 2 auf 1, muss man nicht das Label Prio-2 löschen und dann Prio-1 hinzufügen, sondern das Hinzufügen von Prio-1 entfernt Prio-2 automatisch.
Inhaltlich kommt durch Label-Sets nichts hinzu, sie sind übersichtlicher und komfortabler.

Anwendungsbeispiel

Wie können Labels und Label-Sets zum Ermitteln von Prioritäten in der Praxis eingesetzt werden? Betrachten wir dies am Beispiel einer Roadmap zur Produktentwicklung. Im Beispiel geht es um den Entscheidungsprozess, welche Produktfeatures als nächstes integriert werden sollen.
Eine Dimension der Entscheidungskriterien ist die Marktanalyse, die Erwartungen des Zielmarktes:
Labels für Marktanalyse
Ein weiteres Kriterium ist im Beispiel, wie groß die Zielgruppe ist, für die das Feature eine Kaufentscheidung bedeuten könnte:
Labels für Zielgruppe
Für den Entscheidungsprozess spielt natürlich auch der Aufwand zur Entwicklung des neuen Features:
Labels für Aufwand
Wenn das neue Produktfeature zu einer Kostensenkung für beispielsweise Produktionskosten, Support-Kosten oder zu weniger Rücksendungen/Kaufrücktritten führt, wird folgendes Label hinzugefügt:
Label für Kostensenkung
Ein Produktfeature könnte dann beispielsweise die folgenden Labels haben:
Labels für ein Produktfeature
Hat das Produktfeature die Labels aus dem Beispiel, würde es vermutlich eine hohe Priorität erhalten. Die Verwendung von Labels automatisiert dabei nicht unmittelbar den Prozess der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsfindung mit Labels

Labels führen nicht direkt eine Entscheidung herbei, sondern unterstützen Teams dabei auf einfachere Weise den Überblickt zu behalten und Dinge aus verschiedeneren Blickwinkeln zu beleuchten. Beispielsweise indem nach bestimmten Labels gefiltert wird oder indem bestimmte Labels ausgeblendet werden lassen sich Teilaspekte isoliert betrachten und bewerten.
Labels sind also ein Tool, das bei der Entscheidungsfindung hilft und die Einschätzungen von Teams sichtbar macht. Auf der Summe der Einschätzungen lassen sich dann kompetente Entscheidungen treffen.

Priorität festlegen

Die endgültige Zuweisung einer Priorität ist dann nur noch der Schlussstein. Wie würden Sie vorgehen, um die Priorität zuzuweisen? Schreiben Sie uns Ihre Idee gerne an info@hcom.de, wir freuen uns über Ihr Feedback!

Kanban-Boards

Kanban-Boards sind eine komfortable Art Labels zu setzen. Den Vorgang der Priorisierung wird übersichtlich auf einem Board dargestellt und erfolgt durch einfaches Verschieben mit der Maus.
Labels in einem Kanbanboard
Die Spalten von Kanban-Boards werden Swimlanes genannt, weil sie an die Bahnen eines Schwimmbeckens erinnern. Wird eine Aufgabe beispielsweise von der Swimlane für die Priorität 3 in Swimlane eins weiter rechts mit der Maus gezogen, wird das Label für Priorität 3 entfernt und durch die Priorität 2 ersetzt.
Beim Verschieben einer Aufgabe in einer andere Swimlane wird in der Tat nur ein Label entfernt und ein anderes hinzugefügt.
Das Verfahren klingt zunächst nach einer Spielerei, ist aber in der Praxis sehr effizient und zeitsparend. Insbesondere wenn Szenarien durchgespielt werden, lassen sich Änderungen schnell durchführen und die Szenarien abwägen. Auch wird dabei das Out-of-the-Box-Denken angeregt.

Weitere Möglichkeiten mit Labels und Kanban-Boards

Labels und Kanban-Boards sind universell einsetzbar und keineswegs ausschließlich zur Priorisierung geeignet. So lassen sich beispielsweise Workflows mit Labels abbilden oder Teams und Verantwortlichkeiten definieren. Auch wenn ein häufig verwendetes Label Dringend ist, wird großes Potenzial vergeudet, wenn der Einsatz von Labels hierauf beschränkt würde.

Octaved Flow

Labels können in Octaved Flow auf mehreren Ebenen verwendet werden. Für Projekte im Sinne des Projektportfolio-Managements, für Arbeitspakete, für agile User Stories und für Aufgaben, jeweils mit Label Sets und flexibel konfigurierbaren Kanban-Boards. Damit wird die Priorisierung von Detailfragen vereinfacht und große Entscheidung werden abgesichert. Das Team legt das Schema gemeinsam fest, nach dem dann alle vorgehen. Das sorgt für bestmöglichen Informationsaustausch.